Interview mit STEPSTONE für den 31-10-23 Equal Pay Day in Österreich

Martina Ernst, berät nach ihrer Tätigkeit als Personalchefin in der Finanzindustrie und Geschäftsführerin und Aufsichtsratsvorsitzende in der Dienstleistung mit ihren Firmen www.SalaryNegotiations.at und www.FairandEqualPAY.com  Berufstätige und Unternehmen auf dem Weg zu fairer und gleichwertiger Vergütung im Einklang mit der Firmenkultur.

1. Warum ist der Gender Pay Gap in Österreich so hoch?

Wenn man den unbereinigten Gender Pay Gap von 36,4% (Statistik Austria 2019) betrachtet, gibt es vor allem drei Gründe:
50,5% der Frauen und nur knapp 11% der Männer arbeiten  in Teilzeit (2021)
22,4% der Frauen und nur 9,3% aller Männer arbeiten im Niedriglohnsektor (2018)
Nur 19,2% aller Frauen sind in Österreich in Top-Positionen (Studie des Weltwirtschaftsforums 2020)
Auch wenn man die Gehaltsunterschiede bereinigt und nur ganzjährig Vollzeitbeschäftigte betrachtet, bleibt 2022 eine Lücke zwischen den Geschlechtern von 12,6% laut aktuellen Statistik Austria Daten.

Wieso:
Unternehmen, die Frauen bewusst schlechter stellen, gibt es kaum mehr. Aber, berufstätige Mütter leiden unter der sogenannten‚ motherhood penalty‘, die zum ‚unerklärten‘ Gender Pay Gap führt.

  • Familie wird bei uns leider noch immer als Frauensache verstanden: Wenn zwei Leute im Job neu beginnen, entwickeln sie sich zunächst gleich; dann geht die Frau irgendwann in Mutterschutz und Karenz und sind die Gehaltssprünge nicht kollektivvertraglich geregelt, steigt sie häufig dort ein, wo sie aufgehört hat.
  • Frauen kommen zudem vermehrt in Teilzeit zurück und das sind zumeist nicht so hoch bewertete Jobs. Mangelt es an Kinderbetreuungsmöglichkeiten gilt das sogar für viele Jahre.
  • Gut bezahlte Führungspositionen in Teilzeit bzw. Job-Sharing sind noch Mangelware
  • Frauen verhandeln im Unternehmen ihr Gehalt bzw. ihren beruflichen Aufstieg seltener als Männer und erwarten eher, dass das Unternehmen ihre Leistung anerkennt und von sich aus den ersten Schritt macht.

2. Warum verdienen Frauen immer noch weniger? 

Zwei Aspekte:

  • Spannend sind die Kollektivverträge der Männer-dominierten Metaller versus der Frauen-dominierten Pflegeberufe: spätestens dann weiss man, dass weder die eigene Qualifikation oder der persönliche Verantwortungslevel einen gleich hohen Lohn ermöglichen, sondern zum Großteil die Branche und die Verhandlungsmacht der Sozialpartner entscheidend für die Gehaltshöhe sind.
  • Frauen verhandeln im Unternehmen ihr Gehalt bzw. ihren beruflichen Aufstieg seltener als Männer und erwarten eher, dass das Unternehmen ihre Leistung anerkennt und von sich aus den ersten Schritt macht.

3. Was kann man tun beim Gender Pay Gap? Diese Frage umfasst aus meiner Sicht drei Bereiche:

Wie und wo sollten sich Unternehmen aufgerufen fühlen, etwas zu tun

  • Unternehmen sollten Kandidatinnen das Gehalt zahlen, das aufgrund der Funktion, Verantwortung und Leistung vorgesehen ist, auch wenn die Frau weniger gefordert hat
  • Unternehmen sollten interne Quoten einführen, um bewusst Frauen in Führungspositionen zu bringen
  • Frauen sollten vermehrt Führungspositionen in Teilzeit übernehmen können
  • Unternehmen sollten noch beherzter Väterkarenzen zulassen – denn Kinder gehören zum Leben  – auch wenn es logistisch eine Challenge für alle ist.

Das ist nur ein Auszug aller Möglichkeiten, die ein Unternehmen setzen kann, um eine inklusive Arbeitsgemeinschaft mit fairen und gleichwertigen Arbeitsbedingungen und Gehältern zu schaffen.

wo und wie ist die Politik gefragt bzw. sind gesetzliche Rahmenbedingungen erforderlich

  • Die Politik hat 2023 endlich erkannt: Es braucht Kinderbetreuungsmöglichkeiten am Land, jetzt warten alle noch auf die konkrete Umsetzung.
  • Auch sinnvoll wäre, das Pensions-Splitting verpflichtend einzuführen und nicht wie bisher auf freiwilliger Basis.
  • Die Politik muss vermehrt Anreize setzen,
    • um jungen Frauen den gut bezahlten MINT Sektor näher zu bringen und
    • um niedrig bezahlte aber stark nachgefragte Berufe wie den der Altenpflege gehaltlich aufzuwerten
  • Der Einkommensbericht ist derzeit für Unternehmen ab 150 Mitarbeitenden verpflichtend, ist bisher aber extrem zahnlos – das wird sich 2026 durch die neue EU Direktive zu Lohntransparenz und Equal Pay hoffentlich verbessern

Was kann eine einzelne Arbeitnehmer*in oder Selbstständige für sich tun

Wer nichts fordert, wird beim Wort genommen und erhält genau das: NICHTS

Hervorheben möchte ich vier Dinge:

  • den Marktwert der eigenen Funktion/des eigenen Produkts googeln und sich im Bekanntenkreis und bei Mentor*innen Rat holen, was sie für die Tätigkeit verlangen würden – das bestärkt den eigenen Selbstwert.
  • den Mehrwert fürs Unternehmen (über den normalen Vertrag hinaus) ständig für sich festhalten und in einem eigens dafür festgelegten Termin mit den Vorgesetzten/ Vertragspartner*innen ansprechen.
  • Sich top vorbereiten und auf keinen Fall vergessen, dass die Vorgesetzten/ Vertragspartner*innen oft nicht die Entscheider*innen sind – also gute Argumente liefern, die auch weiter oben in der Hierarchie noch stimmig sind
  • Nicht vergessen: jede Verhandlung zwischen Arbeitnehmerin und Arbeitgeberin bzw. Auftragsgeberin ist kein Kampf, es geht vielmehr darum, dass beide Seiten motiviert daraus hervorgehen und weiter motiviert zum Unternehmenserfolg beitragen

 

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