New Pay- Fair Pay?

Im letzten Jahrzehnt wurde der Ruf nach ‚New Work‘ immer lauter – viele Unternehmen haben erkannt, dass traditionell-hierarchische Organisationsformen nicht mehr die geeigneten Antworten auf die Herausforderungen unserer komplexen und schnelllebigen Arbeitswelt liefern können und setzen zunehmend – zumindest pilothaft – auf agile Arbeitsmethoden und den Abbau von Hierarchien hin zu Netzwerkstrukturen.

 

Was bedeutet das für die einzelne Mitarbeiter*in? In der Idealversion ist man kein austauschbares Rädchen mehr in einer großen Maschinerie, sondern arbeitet in Teams, die relativ selbständig Marktchancen ergreifen und mit den Kund*innen gemeinsam die entsprechenden Lösungen entwickeln können. Wunderbar, denn das deckt sich auch mit den Wünschen der Arbeitnehmer*innen. 87,1 Prozent der befragten österreichischen Arbeitnehmer ist es wichtig, dass ihre Arbeit Sinn hat, ergab eine Umfrage der Jobplattform Xing bereits 2018. Leider sind derzeit in Europa laut einer Gallup-Umfrage vom Juli 2020 nur 20 Prozent bei ihrer Arbeit mit dem Herzen dabei.

 

Und wenn Mitarbeiter*innen in der neuen Arbeitswelt viel selbstbestimmter agieren können und wollen, dann muss man natürlich auch die klassischen Gehalts-und Vergütungsmodelle hinterfragen. Und so entstand der Ruf nach ‚New Pay‘.

Nadine Nobile, Stefanie Hornung und Sven Franke, die Autoren des gleichnamigen Buches „New Pay“ fanden heraus, dass sieben Prinzipien New Pay gut beschreiben, die wiederum eng mit den Ideen von New Work verknüpft sind: Fairness, Transparenz, Selbstverantwortung, Partizipation, Flexibilität, Wir-Denken und Permanent Beta.

 

Eine Online Befragung, die das Marktforschungsinstitut marketagent im Auftrag von XING im Februar 2021 durchgeführt hat, stellt fest, dass zwar rund 64% der 1.000 befragten Deutschen und sogar 70% der 500 befragten österreichischen Erwerbstätigen mit ihrem Gehalt zufrieden sind, aber mehr als die Hälfte wünscht sich mehr Transparenz zu den Gehaltsstrukturen innerhalb ihrer Unternehmen – in beiden Ländern herrscht bei rund einem Drittel der Befragten nach wie vor die Überzeugung, dass Männer mehr Gehalt verdienen und bessere Karrierechancen als Frauen hätten.

Rund 55 Prozent sprechen sich dafür aus, dass nicht nur reine Arbeitszeit, sondern Leistung ebenso berücksichtigt werden wie Kollegialität und gute Zusammenarbeit. Und Leistung soll laut der Befragten nicht nur anhand von Zielerreichung beurteilt werden, sondern Kreativität und Ideenreichtum sollen mit in die Gesamtbeurteilung einfließen und damit die Gesamtvergütung mitbeeinflussen.

Schon 2019 rangierten Wertschätzung und faires Gehalt ganz oben bei einer karriere.at -Befragung von österreichischen Student*innen und eine aktuelle PwC-Umfrage vom Juni 2021 zeigt, dass flexible Arbeitszeiten/Arbeitsort neben gutem Gehalt auf der Wunschliste junger Arbeitnehmer*innen ganz oben stehen. Der Ruf nach ‚New Pay‘ ist nicht zu überhören.

 

Aber was heißt fair, gerade wenn wir von Gehalt und Leistung sprechen? Und wieviel Transparenz können Mitarbeiter*innen aushalten?

 

Prof. Dr. Stephan Fischer, Direktor des Instituts für Personalforschung an der Hochschule Pforzheim, spricht in diesem Zusammenhang von Verteilungs- und Verfahrensgerechtigkeit.

Die Mitarbeiter*innen empfinden Gehälter tendenziell dann als fair, wenn vergleichbare Positionen innerhalb und außerhalb des Unternehmens die gleiche Vergütung beziehen.

Aber wenn jemand genauso viel verdient, der nie mehr als nötig macht, im Vergleich zu jemandem, der gerne alle Teamkolleg*innen unterstützt, fragen sich viele, ob das noch fair ist. Wer soll die höheren Boni bekommen: die, die den Verkauf abgeschlossen haben oder die, die im Hintergrund den dafür nötigen Support geliefert haben.

Das Gerechtigkeitsempfinden von Personen ist extrem unterschiedlich und daher muss, laut Prof. Fischer und Sven Franke jede Organisation im Rahmen von „New Pay“ möglichst viele Mitarbeiter*innen in die Diskussion einbinden, anstatt starre Gehaltsstrukturen vorzugeben.

Generell gilt: je nachvollziehbarer, klarer und konsistenter die Verteilung und je transparenter und partizipativer das Verfahren, nachdem in einem Unternehmen Gehälter, Boni und Sozialleistungen gezahlt werden, desto fairer oder gefühlt gerechter empfinden Mitarbeiter*innen ihr Gehalt.

Einige Konzerne wie zum Beispiel XING legen Gehaltsbänder für die jeweiligen Positionen offen, manche Firmen wie Morningstar oder elbdudler lassen Mitarbeiter*innen ihr Gehalt selbst entscheiden und andere wie einhorn oder Ministry Group lassen die Gehälter im Team demokratisch abstimmen. Deloitte rät zum Beispiel zu Mitarbeiterumfragen, um herauszufinden, welche Sozialleistungen bei Mitarbeiter*innen wirklich einen gefühlten Mehrwert darstellen. So bietet ein Bereich der Deutschen Bahn auf Wunsch der Belegschaft die Wahlmöglichkeit zwischen Urlaubstagen, höherem Gehalt oder kürzerer Arbeitszeit.

 

Sprechen wir hier von sozialromantischen Phantasien? Nein, ganz und gar nicht – es geht schlichtweg um Arbeitgeberattraktivität und um den viel zitierten ‚war of talents‘, damit die Aufgaben der Zukunft mit den richtigen Mitarbeiter*innen gemeistert werden können. Und ohne ‚new pay‘ kein ‚new work‘!